Diagnose und Therapie für den Patienten Europa

Auftakt der Ringvorlesung: Staatsministerin Conrad fordert „werbende Politik“

Staatsministerin Margit Conrad hat am Mittwochabend die Ringvorlesung der Universität Trier zur Frage „Was Europa zusammenhält“ eröffnet. „Zum Auftakt wollten wir den Zuhörern einen Blick aus der politischen Praxis auf dieses Thema bieten. Insofern waren Sie als Zuständige des Landes unsere Wunschkandidatin“, begrüßte Prof. Dr. Ludwig von Auer die Europaministerin. Er sei gespannt, so von Auer, auf die Diagnose der ausgebildeten Medizinerin und Politikerin Margit Conrad für den Patienten Europa.

Ernst, aber nicht hoffnungslos: Mit diesem kurzen medizinischen Bulletin ließen sich Conrads Diagnose und Therapie-Empfehlungen für das kränkelnde Europa in ihrem Vortrag zusammenfassen. Fraglos leide Europa unter der Finanzkrise, die aber stärke eine Explosion der Finanzmärkte als eine Staatsschulden-Krise sei. Die Krise selbst und der inflationäre Gebrauch des Begriffs habe das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit der Politik stark geschädigt. Daneben führe sie hohe Jugendarbeitslosigkeit in Europa dazu, dass dem europäischen Gedanken eine ganze Generation verloren gehe. „Das ist die größte politische Katastrophe für Europa“, sagte Conrad.

Andererseits sei den jüngeren Menschen nicht mehr bewusst, dass „Europa Frieden bedeutet“. Was heute als selbstverständlich angesehen werde, sei eine zentrale Triebfeder der Integration in der Nachkriegszeit gewesen. Als weitere Vorteile und damit Legitimationsgrundlagen für Europa führte sie eine lautere Stimme in der zunehmend globalisierten Welt und offene Grenzen für Menschen und Waren an. Deutschland und speziell Rheinland-Pfalz hätten durch die Union auch wirtschaftlich enorm gewonnen.

Als Therapievorschlag schrieb sie ihrer eigenen Branche ins Stammbuch, eine europäische Politik zu betreiben, die für Europa werbe. „Europa braucht keine Lippenbekenntnisse, sondern ein echtes Bekenntnis zur Solidarität zwischen den Staaten“, so Conrad. Das europäische Haus müsse durch den „Mörtel“ Gerechtigkeit zusammengehalten werden. „Die Menschen müssen den Mehrwert Europa für sich spüren“, führte die Ministerin weiter aus.

Universitätspräsident Prof. Dr. Michael Jäckel dankte der Ministerin. Er spannte den Bogen von der Europabegeisterung, symbolisiert durch die Ludwigsburger Rede des französischen Präsidenten Charles de Gaulles im September 1962, bis zur heutigen Europaskepsis. Diese Pole, so Jäckel, dürften sich auch durch die kommenden Vorträge der Ringvorlesung der Universität Trier ziehen.