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Historisch-kritische Edition von Filmen auf DVDInternationale Fachkonferenz an der Universität Trier21. bis 23. Oktober 2002

Das Kolloquium soll die filmwissenschaftlichen, gestalterischen und informationstechnischen Potentiale und Probleme der historisch-kritischen Edition von Filmen auf digitalen Trägern ausloten und diskutieren. Es soll weiterhin die Transferpotentiale der bereits etablierten, historisch-kritischen Volltextdigitalisierung prüfen, sowie den "State of the Art" anspruchsvoller digitaler Pilotprojekte der historisch-kritischen Filmedition bilanzieren und perspektivieren, so heißt es in der Ankündigung.

 

Zum Thema:

Historische Filme sind visuelle Speicher für das Gedächtnis des 20. Jahrhunderts. Obwohl darüber Einigkeit herrscht, ist der Zugang zu Filmen im Vergleich zu Literatur extrem erschwert. Vor allem dokumentarische Filme sind der Forschung und Lehre weitgehend verschlossen, weil sie in der Regel nur über die Sichtung in Filmarchiven zugänglich sind.

 

Gleichzeitig erleben wir einen Medienumbruch mit weitreichenden Auswirkungen: Die Digitalisierung audio-visueller Produkte hat in den vergangenen drei Jahren stürmische Fortschritte gemacht. DVD wird in wenigen Jahren das analoge Video-Magnetband ersetzt haben. Dadurch bieten sich innovative Möglichkeiten der Wissensproduktion- und Wissensvermittlung insbesondere für die Mediengeschichte von Film und Kino im 20. Jahrhundert.

 

Didaktisch wird die im 19. Jahrhundert durch Photographie und Film erfolgte Trennung von Sehen und Begreifen vom TouchScreen-Fenster des digitalen Dispositivs aufgehoben: Bei der Erkundung virtueller Bildräume mit Maus-Click werden haptische Qualitäten des Sehens zurückgewonnen, die von fundamentaler Bedeutung für die Erkenntnisleistungen der Sinne sein können.

 

Die digitale Versionierung von Filmen erlaubt die Annotierung von Bildinhalten und Bildgestaltungen im Filmbild selbst: Per Maus-Click lassen sich Fenster öffnen, die über entsprechende Verzweigungen in hypertext-konfigurierte Tiefen der inhaltlichen und formalästhetischen

Erschließung führen. Dies eröffnet weitreichende Perspektiven der Vernetzung von Filmen mit ihren Referenten, sowohl mit ihrem Realkontext wie mit ihrem Medienkontext, d.h. auch mit anderen Filmen.

 

Paradoxerweise werden die Potentiale der Bewegtbild-Digitalisierung für die wissenschaftliche und didaktische Erschließung von historischen Filmen noch kaum ausgeschöpft. DVDs dienen bisher fast ausschließlich für die Wiedergabe von Spielfilmen im Consumer-Bereich. Die wissenschaftliche Erschließung von Bewegtbild-Dokumenten über Hypertext-Konfigurationen, welche Informationszugriffe auf unterschiedliche Inhalte von ganz verschiedenen Nutzerinteressen hererlauben, hat noch gar nicht begonnen. Eine gute Praxis historisch-kritischer Filmeditionen auf digitalen Trägern, die ähnlich hohen Anforderungen entspricht wie historisch-kritische Texteditionen, muss erst noch begründet werden.