Gott hat auch in der säkularen Gesellschaft seinen Platz

Diskussionsteilnehmer betonten Potenzial der Religionen für Frieden

„Die Frage nach Gott in der säkularen Gesellschaft“ stellte die Evangelische Studierendengemeinde am Buß- und Bettag in einer mit hochrangigen Vertretern unterschiedlicher Religionen und Konfessionen besetzten Podiumsrunde an der Universität Trier. Dass die Frage nach Gott in der heutigen Gesellschaft überhaupt gestellt werde, sei in Deutschland nicht mehr selbstverständlich angesichts von mitunter nur noch 50 Prozent Christen in Großstädten und 20 Prozent in einigen östlichen Bundesländern, sagte Nikolaus Schneider, Präses der Rheinischen Landeskirche. Wie Schneider betonten der katholische Bischof von Trier, Stephan Ackermann, Ferah Aksoy-Burkert als Vertreterin der Baha'i-Gemeinschaft und Ali Dere von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) die Bedeutung von Gott und Religion in der „verweltlichten“ Gesellschaft. Sie setzten allerdings unterschiedliche Akzente.

Eine fundamentale Aufgabe der Religion sehen alle Repräsentanten in ihrer friedensstiftenden Funktion. „Wir sind geradezu verpflichtet, das friedensstiftende Potenzial unserer Religionen zur Sprache zu bringen“, unterstrich Schneider. Er erinnerte an große Kirchenlehrer wie Nikolaus von Kues, die einen Weg beschritten hätten, der bis heute vorbildlich sei: das Gemeinsame der Religionen zu suchen und das Trennende zu ertragen. Eine tiefe Verwurzelung im eigenen Glauben verleihe Sicherheit für einen toleranteren Umgang mit anderen Religionen, so Schneider.

Bischof Ackermann pflichtet in der Toleranz gegenüber anderen Religionen bei. „Ich sehe beispielsweise den Bau von Moscheen in Deutschland positiv. Allerdings erwarte ich auch Religionsfreiheit in anderen Ländern“, fügte er an. Er dämpfte hingegen zu optimistische Erwartungen an das Verbindende der Religionen: „Dafür ist die Gemengelage zu differenziert, und einige Religionsvertreter verteidigen ihre Positionen sehr aggressiv.“ Ackermann sieht im Umgang der modernen Gesellschaft mit Religion eine Überbetonung des Spirituellen und vermisst ausgprägte Bereitschaft, sich intellektuell mit Gott und Religion auseinanderzusetzen.

Professor Ali Dere begrüßte, dass sich der Islam nun an deutschen Hochschulen etablieren könne. „Ich unterstütze den Pluralismus der Religionen, für den Islam stellt er jedoch eine besondere Herausforderung dar, die aber zu meistern ist.“

Für Ferah Aksoy-Burkert ist unumstößlich, dass der Mensch auch in der heutigen Zeit Gott als Seelennahrung im Diesseits brauche. Sie erfahre Religion in Deutschland vornehmlich als private Angelegenheit. Alle Religionsgemeinschaften könnten etwas dafür tun, dass Religion selbstverständlicher in der Gesellschaft praktiziert werde. Die Menschen kennenzulernen, die bestimmte Religionen praktizieren, sei ein hervorragender Schritt, um Grenzen zu überwinden. „Das macht die Religionen menschlicher“, so Aksoy-Burkert.

Präses Schneider klopfte sich abschließend bei der Suche nach Versäumnissen der etablierten Kirchen in der Verankerung von Religion in der säkularen Gesellschaft an die eigene Brust: „Wir haben selbst zu verantworten, dass viele den Glauben und die Sprache über Religion verloren haben. Wir brauchen wieder eine Sprache und Formeln für die Frömmigkeit.“