Mehr Lust auf Kommunikation

Chinesische und deutsche Studierende diskutierten über

Leben und Studium in Deutschland und China

Mit dem Ziel, das gegenseitige Verständnis zu stärken und die Beschäftigung mit der jeweils anderen Kultur zu fördern, trafen sich Deutsche und Chinesen zu einer Gesprächsrunde, am Freitag, 7. Februar 2003. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des sinologischen Seminars "Sprach- und Kommunikationskultur in China" hatten unter der Leitung von Prof. Dr. Yong Liang zur Diskussion geladen. In Raum C 10 der Universität sprachen chinesische und deutsche Studierende aller Fachbereiche über das Alltagsleben, das Studium und die unterschiedlichen Lebensbedingungen in Deutschland und China.

 

Insgesamt waren 24 Interessierte der Einladung gefolgt. Die Mehrheit der Teilnehmer waren chinesische Studierende, die seit unterschiedlich langer Zeit in Deutschland sind. Meist lag die Dauer des Aufenthalts zwischen zwei und vier Jahren. Auf deutscher Seite diskutierten Studierende der Sinologie, sowie einige Gäste aus anderen Fächern, die ebenfalls großes Interesse am chinesisch-deutschen Dialog hatten. Die Sinologen verfügten durch meist einjährige Studienaufenthalte in China über tiefere Kenntnisse der Bedingungen in China, so dass ein ausgewogener Informationsaustausch stattfinden konnte.

 

Prof. Dr. Liang erklärte zu Beginn des Gesprächs, wie wichtig es ist, dass Deutsche und Chinesen voneinander lernen: "Heute ist das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in einer Gesellschaft normal, das ist eine Ausprägung der Globalisierung. Damit umgehen zu können ist eine grundlegende Qualifikation, gerade auch in der Wirtschaft." Der Sinologiestudent Carsten Senz und die chinesische Studentin Yang Hui moderierten die Diskussion. An Hand von Beispielen aus der eigenen Erfahrung in Deutschland und China führten sie in das Thema ein.

 

Im Mittelpunkt der Diskussion stand der Kontakt der Chinesen zu den Deutschen und wie sich dieser Kontakt gestaltet. Diese Aspekte waren besonders für die Teilnehmer des Seminars "Sprach- und Kommunikationskultur in China" von Interesse.

 

Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass gute Sprachkenntnisse die Basis für einen gelungenen Kontakt zu den Menschen im Gastland bilden. Doch weil Kommunikation sich nicht nur auf Wortschatz und Grammatik beschränkt, ist es auch nötig, die fremde Denkweise kennen zu lernen. Manche in der Gruppe vertraten die Ansicht, dass das Studium der "großen" Romane einer Nation ein gutes Mittel dazu ist. Die meisten Teilnehmer sagten jedoch, dass man mit der Mentalität des Gastlandes vor allem durch den intensiven Kontakt mit "lebenden Kulturträgern" - so Isabelle Gras - vertraut wird. Auch wenn sprachliches und interkulturelles Lernen im Mittelpunkt des Auslandsaufenthaltes steht, kommt es im Umgang miteinander besonders auf eines an: "Man muss einfach locker bleiben. Sprache und Kommunikation sind wichtig, aber nicht alles, man muss vor allem Lust haben, miteinander zu tun zu haben!" sagte die chinesische Studentin Xiao Jinyuan.

 

Der Bekanntenkreis der chinesischen Studierenden ist eher international, häufig ist es aber doch so, dass sie einen großen Teil ihrer Freizeit mit chinesischen Landsleuten verbringen. Als Grund für den geringen Kontakt zu Deutschen wurden meist sprachliche Probleme genannt. Besonders dramatisch wirken sich diese Mängel in der Anfangszeit des Aufenthaltes in Deutschland aus: In der fremden Umgebung und an der Universität benötigen die chinesischen Studierenden oft Hilfe, doch vielen von ihnen fällt es schwer, Fremde um Hilfe zu bitten. Nach ihren Erfahrungen neigen die Deutschen auch kaum dazu, von sich aus Hilfe anzubieten. Hier sind die Mentalitäten der zwei Gruppen ein Problem, denn in beiden Kulturen begegnet man Fremden eher mit Zurückhaltung.

 

Folglich fanden die chinesischen Diskussionsteilnehmer, dass sie mehr Selbstbewusstsein entwickeln müssten. Die Deutschen hingegen sollten das anfängliche "Nein" eines Chinesen jedoch nicht immer als wirkliche Ablehnung verstehen und einfach trotzdem helfen. Ein solches "Nein" zeige vielmehr die Unsicherheit gegenüber Unbekannten. Es sei jedoch festzustellen, dass sich viele Deutsche in Bezug auf Kultur und auch Sprache selten die Mühe machten, die Chinesen zu verstehen. Gerade bei eher bescheidenen Sprachkenntnissen und geringer Ausdruckfähigkeit zeigten viele Deutsche wenig Geduld und Hilfsbereitschaft.

 

Obwohl die Schwierigkeiten im Zusammenleben Thema der Diskussion waren, betrachteten die chinesischen Studierenden den Aufenthalt in Deutschland insgesamt als positiv. Sie sehen darin eine gute Möglichkeit die deutsche Mentalität und das Leben im Ausland kennen zu lernen, sowie unabhängiger und selbständiger zu werden. Des Weiteren wird so der eigene Horizont erweitert. Die Sinologen konnten diese Erfahrungen aus umgekehrter Perspektive bestätigen. Damit bot die Diskussion Gelegenheit, sich ein wenig mit der anderen Kultur vertraut zu machen und die eigene Umwelt mit den Augen des Anderen zu sehen. Denn häufig ist dem Einzelnen die Prägung seiner Einstellungen und Meinungen durch die eigene Kultur nicht voll bewusst, doch der Austausch mit Menschen mit fremdem kulturellem Hintergrund kann helfen, das eigene Umfeld neu zu bewerten. So wurde das von Prof. Dr. Liang zu Beginn der Diskussion beschriebene interkulturelle Lernen aus unterschiedlichen Blickwinkeln deutlich.

 

Der im Trierischen Volksfreund am 4. April 2002 erschienene Artikel "Schüchternheit auf beiden Seiten" hatte über den Kreis der Universität hinaus auf die Schwierigkeiten des deutsch-chinesischen Zusammenlebens und der Integration aufmerksam gemacht. Im Sommersemester 2002 gingen Studierende der Sinologie den Problemen auf den Grund und befragten etwa 100 chinesische Gaststudenten und 100 deutsche Studierende. Diese Umfrage sollte einen ersten Überblick vermitteln, weil bislang über die Situation der chinesischen Studierenden wenig bekannt war. Die Ergebnisse zeigten, dass auf deutscher Seite wenig Wissen über China vorhanden ist und der Kontakt zu der großen Gruppe der chinesischen Studierenden oft nur oberflächlich besteht. Häufig bemängelten die deutschen Studierenden die starke Gruppenbildung der Chinesen, die den Umgang mit ihnen erschwert. Die Chinesen gaben an, dass ihre Sprachkenntnisse der häufigste Grund für den nur geringen Kontakt seien, das Interesse an freundschaftlichen Beziehungen zu Deutschen aber sehr stark ist.

 

Vor diesem Hintergrund konnte die gemeinsame Diskussionsrunde nun einen weiteren Beitrag zur Einschätzung der Situation und zur Verständigung leisten. Die Teilnehmer waren nach der Diskussion positiv gestimmt und begrüßten die Idee, den Dialog in weiteren Treffen fortzusetzen.

 

Simon Gräsing

 

Weitere Informationen

 

Prof. Dr. Yong Liang, FB II - Sinologie, Tel.: 0651/201-3200, Fax: 0651/201-3944, E-Mail: lianguni-trierde