Heimische Mauereidechsen werden verdrängt

Eidechsen-Männchen vererben das Farbmuster an ihre Nachkommen: die Rückenfärbungen (von oben nach unten) einer heimischen, einer italienischen und einer hybriden Mauereidechse. Mit roten Punkten werden die Eidechsen während der Probenahme markiert, um Doppelfänge derselben Individuen auszuschließen.

Trierer Biogeographen erforschen Ausbreitungsmuster und plädieren für veränderten Artenschutz


Nicht-heimische Mauereidechsen verbreiten sich zunehmend in Deutschland. Dieses Phänomen ist bekannt und gut dokumentiert. Der Biologe Joscha Beninde von der Universität Trier untersucht  in seiner Doktorarbeit die Ursachen. Das Ergebnis: Die Männchen italienischer Mauereidechsen sind durchsetzungsfähiger als die heimischen und verdrängen sie bei der Partnerwahl. Um die heimische Mauereidechse langfristig schützen zu können, plädiert die Trierer Forschergruppe dafür, die Praxis des europaweiten Artenschutzes anzupassen.


Joscha Beninde hat das Ausbreitungsmuster in Deutschland exemplarisch anhand von Mauereidechsen in Mannheim untersucht. Er geht davon aus, dass dieser Mechanismus auf alle Populationen übertragbar ist, in denen italienische auf andere Mauereidechsen stoßen. Damit bestätigt er Ergebnisse des schwedischen Evolutionsbiologen Dr. Tobias Uller, der die dominante Durchsetzungsfähigkeit von Männchen italienischer Mauereidechsen festgestellt hatte.


Um die Effekte weiblicher oder männlicher Partnerwahl auseinanderhalten zu können, hat das Forscherteam mit experimentellen Partnerwahlversuchen, Messungen der Farbmuster und Morphologie sowie genetischen Analysen eine aufwendige Studie vorgelegt. Der Vergleich von Datensätzen aus England, Italien und Deutschland zeigte ein typisches Muster beim Aufeinandertreffen verschiedener Mauereidechsen auf: die genetische Nachweisbarkeit des italienischen Ursprungs geht schneller verloren als das typisch italienische Farbmuster. Dieses Muster lässt sich nur mit der Dominanz italienischer Männchen gegenüber den Männchen anderer Mauereidechsen erklären. Denn die Männchen vererben das Farbmuster an ihre Nachkommen, jedoch nicht die Gene des Mitochondriums, die ausschließlich von der Mutter an ihre Nachkommen weitergegeben werden. In den experimentellen Partnerwahlversuchen bestätigte sich nun dieser Verdacht, indem nicht-heimische Männchen dominanter waren, während die Weibchen keinerlei Präferenzen zeigten.


Das Besondere an der Mauereidechse ist, dass es hier innerhalb einer Art zur Konkurrenz verschiedener evolutiver Linien kommt, während sonst solche Prozesse zwischen verschiedenen Arten untersucht wurden. Die Mauereidechse ist eine Art, die in weiten Teilen Süd-Europas vorkommt und in Deutschland an ihren nördlichen Verbreitungsrand stößt. Im Lauf der Evolution haben sich die Mauereidechsen der verschiedenen Regionen Europas getrennt voneinander entwickelt, was beispielsweise an den unterschiedlichen Farbmustern zu erkennen ist. In der Biologie spricht man hier von verschiedenen genetischen Linien innerhalb einer Art. Diese genetischen Linien werden alle der Art Mauereidechse zugeordnet, wie in der Studie eindrücklich durch die Verpaarung italienischer und heimischer Linien unter Beweis gestellt wurde.


In Deutschland werden die italienischen Linien vielfach eingeschleppt, inzwischen gibt es über 100 bekannte Populationen. Entweder werden die Tiere von Hobby-Terrarianern gezielt ausgesetzt oder sie gelangen als blinde Passagiere, etwa beim Transport im Gartenbau, nach Deutschland.


Nach der europaweiten Artenschutz-Praxis sind alle Individuen der Mauereidechse in Deutschland schützenswert - ungeachtet ihrer Herkunft. Diese Sichtweise greift nach Ansicht der Trierer Forschergruppe viel zu kurz. Dies zeigt die im renommierten Fachjournal „Ecology Letters" veröffentlichte Studie auf. Sie plädieren dafür, den Schutz von italienischen Mauereidechsen auch in Deutschland zu überdenken. Dies sei schon jetzt gängige Praxis beim Schutz auf Artniveau, wo Arten fremder Herkunft keinen Schutzstatus haben und manchmal sogar aktiv bekämpft werden. Dieses Schutzverständnis wird jedoch nicht auf Biodiversität innerhalb von Arten übertragen – eine Praxis die sich nach Meinung der Trierer Forschergruppe bald möglichst ändern sollte, um die heimische Mauereidechse langfristig schützen zu können.

Kontakt:
Joscha Beninde
Universität Trier
Tel. 0651/201-4911
E-Mail: <link>beninde@uni-trier.de