Forschungsinitiative Rheinland-Pfalz 2024 - 2028


Das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz (MWG) unterstützt im Rahmen der Forschungsinitiative Rheinland-Pfalz die Forschung an der Universität Trier. In der Förderphase 2024 bis 2028 unterstützt das MWG die Umsetzung vielfältiger Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Forschungsprofils,  zur Forschungszusammenarbeit in regionalen, nationalen und internationalen Netzwerken, zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie zur Stärkung von Wissenstransfer und Innovation.

Pressemitteilung vom 29. Januar 2024

Im Mittelpunkt steht der Aufbau neuer Verbundvorhaben. Derzeit werden folgende Profilbereiche gefördert:


Laptop und Bücher

LODinG. Linked Open Data in den Geisteswissenschaften

Leitung: Prof. Dr. Christof Schöch (Leitung, Co-Sprecher), JProf. Dr. Susanne Kabatnik (Co-Sprecherin), Prof. Dr. Claudine Moulin (Co-Sprecherin)

Welche neuen Wörter wurden im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie geprägt? Wie wurden medizinische Konzepte in der Frühen Neuzeit ausgedrückt? An welchen Stellen weichen die mehrsprachigen Fassungen des EU-Rechts inhaltlich voneinander ab? Welche Bildmotive sind auf historischen Weinetiketten zu finden? Welche thematischen und methodischen Trends hat es in geisteswissenschaftlicher Forschung der letzten 50 Jahre gegeben?

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Diese und viele weitere Forschungsfragen zur Geschichte von Sprache, Kultur, Medien oder Recht können heute mit digitalen Methoden beantwortet werden.

Möglich wird dies, weil immer umfangreichere Bestände digitalisierter Texte und Bilder verfügbar sind; weil Methoden des maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz weiterentwickelt und angepasst werden; und nicht zuletzt, weil Wissen über Sprache, Literatur, Kultur, Kunst, Recht und Geschichte zunehmend in Form vernetzter Datensätze zugänglich ist. Die verteilten und vernetzten digitalen Datensätze, also unterschiedliche Bestände von Linked Open Data stehen im Mittelpunkt der Forschungsarbeit. Sie enthalten ähnlich wie Enzyklopädien unser Wissen über die Welt und sollen im Verbund „LODinG“ erweitert, verfeinert, analysiert und für die Beantwortung vielfältiger Fragestellungen genutzt werden. 

Das Paradigma der ‚Linked Open Data‘ ermöglicht es, Wissen in maschinenlesbarer, standardisierter und vernetzter Form zu sammeln, zu erschließen, frei verfügbar zu machen und zu analysieren. Personen, Orte oder Publikationen, aber auch Themen, Motive oder Artefakte werden mit eindeutigen Identifikatoren versehen. Durch systematisch aufgebaute Schlagworte und Kategorien können reichhaltige Informationen zu unterschiedlichsten Objekten erfasst und angeboten werden. Die entstehenden Wissensnetze können auf vielfältige Weise abgefragt, statistisch ausgewertet sowie als Grundlage für Visualisierungen und als Ressource für weiterführende Anwendungen genutzt werden.

Im Ergebnis wird der Verbund den großen Nutzen von Linked Open Data für innovative Forschung zu vielfältigen geisteswissenschaftlichen Fragestellungen erschließen und aufzeigen. Zugleich wird Linked Open Data als kohärentes Forschungsparadigma in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier nachhaltig strukturell verankert und ihre Expertise in diesem Bereich national und international sichtbar gemacht.

Der Profilbereich verstärkt die Forschungsschwerpunkte „Gesellschaft, Sprachen und Kulturen im Wandel“ sowie „Daten, Modellierung und Simulation“.

Römisches Segelschiff

Maritime Transfers

Leitung: Prof. Dr. Ulrike Gehring (Co-Sprecherin), Prof. Dr. Christoph Schäfer (Co-Sprecher)

90 % des grenzüberschreitenden Warenverkehrs läuft heute über den Seeweg. Zwar war das Ausmaß an globaler Vernetzung nie größer als heute, doch folgt der maritime Transfer von Menschen, Gütern und Ideen räumlichen und strukturellen ‚Mustern‘, die bereits in der Antike angelegt und über die Jahrhunderte weiter ausdifferenziert wurden.

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Will man also die Vielfalt und Komplexität dieser Transfers verstehen, muss man die sozialen, ökonomischen und kulturellen Ver- und Entflechtungen unserer Zeit multiperspektivisch wie auch diachron in ihrer historischen Dimension betrachten.

Inwiefern prägen Vergangenheitserfahrungen als Seemächte das politische Handeln von Staaten in der Gegenwart? Welche Strategien verfolgen Seemächte bzw. Seehandelsmächte zur Durchsetzung ihrer politisch-militärisch-strategischen wie auch handels- oder infrastrukturbezogenen Ziele auch gegen den Willen konkurrierender Mächte? Inwiefern beeinflussen Transportwege und -zeiten über See die Kosten des Warenverkehrs und damit die wirtschaftliche Entwicklung überregionaler bzw. internationaler Unternehmungen?

Der Forschungsverbund „Maritime Transfers“ greift ein Schlüsselthema im aktuell prosperierenden und kulturhistorisch verzweigten Feld der auch als ‚Blue History‘ bezeichneten Maritimen Geschichte auf. Im Unterschied zu anglo-amerikanischen Projekten verfolgt das Trierer Verbundvorhaben methodisch eine besondere, weil doppelte Perspektivierung: zum einen befördert es die systematische Erforschung der Transfers von Menschen, Gütern und Ideen, die ohne maritime Verbindung nicht möglich wären. Zum anderen fokussiert es abstrakte Übertragungsmechanismen, die eintreten, sobald maritimes Wissen geteilt wird und beispielsweise Seeverbindungen auf der Grundlage von nautischen Berechnungen neu kalkuliert oder Untersee-Kabelnetze für den interkontinentalen Datenverkehr auf sicherheitspolitische Dynamiken untersucht werden.

Fünf Themenbereiche stehen im Mittelpunkt der Forschungen: 1) Wissenschaft und Fähigkeiten in maritimen Kulturen von der Antike bis zur Neuzeit, 2) Globalisierung der hellenistisch-römischen Welt durch den antiken Suezkanal und die Verbindung zwischen Indischem Ozean und Mittelmeer, 3) maritime Verbindungen und ihr Einfluss auf den Seehandel unter Berücksichtigung nautischer Simulationen, 4) die Erfindung und Inszenierung maritimer Vergangenheiten durch neue, alte Seemächte und 5) maritime Forschungen in der Moderne als Treiber für Analyse und Erklärung von Wetterphänomenen.

Der Profilbereich verstärkt die Forschungsschwerpunkte „Gesellschaft, Sprachen und Kulturen im Wandel“ sowie „Daten, Modellierung und Simulation“.

Wachstum als Balkendiagramm

Sicherung nachhaltiger Umwelt-Mensch-Beziehungen durch den Einsatz von Mikrosimulationsmethoden

Leitung: Prof. Dr. Ralf Münnich

Wie kann angesichts von Dürreperioden die Wasserversorgung sichergestellt werden? Wie können bei Hitzewellen in Städten Wärmeinseln reduziert und damit das Mikroklima verbessert werden?

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Vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels bei gleichzeitig zu konstatierenden globalen Entwicklungen wie steigender Alterung, Urbanisierung und Migration messen wir gesellschaftliches Wohlergehen nicht mehr ausschließlich am wirtschaftlichen Einkommen, vielmehr gewinnen über traditionelle ökonomische Größen hinaus weitere Aspekte an Relevanz, z. B. ökologische Aspekte wie die Biodiversität sowie die Energie- und Wasserversorgung. Dabei stehen wirtschaftliche und ökologische Entwicklungen sowie eine sich ändernde Bevölkerung untereinander in einem überaus komplexen Abhängigkeitsverhältnis.

Im Forschungsverbund erarbeiten Forschende aus der Wirtschafts- und Sozialstatistik, der Mathematik, der Volkswirtschaftslehre sowie den Raum- und Umweltwissenschaften mithilfe moderner Mikrosimulationen Lösungen zur Sicherung nachhaltiger Umwelt-Mensch-Beziehungen. Für dieses politisch hochrelevante und wissenschaftlich herausfordernde Zukunftsthema werden mit mathematisch-statistischen Methoden gesamt- und regionalgesellschaftliche sowie kommunale Prozesse prognostiziert und damit Entscheidungshilfen für verschiedene Politikbereiche gegeben. Der Verbund konzentriert sich auf die Themenfelder „Resiliente Trinkwasserwirtschaft“ und „Urbane Biodiversität und Nachhaltigkeit“. Gleichzeitig entwickelt er die Mikrosimulationsmethoden durch die Integration umweltwissenschaftlicher und geostatistischer Modellierungen weiter.

Der Forschungsverbund stärkt an der Universität Trier die profilgebenden Forschungsschwerpunkte „Daten, Modellierung und Simulation“ sowie „Mensch-Umwelt-Beziehungen“.

Geldwäsche

Ökonomische Analyse der Geldwäsche

Leitung: Prof. Dr. Scarlett Jansen (Sprecherin), Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi (Stellvertretender Sprecher), Prof. Dr. Matthias Neuenkirch (Stellvertretender Sprecher)

Deutschland gilt als Geldwäscheparadies. Grobe Schätzungen gehen davon aus, dass jährlich Erträge in Höhe von 100 Milliarden Euro aus Straftaten wie Waffenhandel, Menschenhandel, Betäubungsmittelhandel, Korruption und Untreue gewaschen werden.

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Der Geldwäsche werden erhebliche negative gesamtökonomische Implikationen nachgesagt. Doch wie schädlich ist Geldwäsche für die deutsche Wirtschaft und den Finanzmarkt wirklich? Evidenzbasierte Daten dazu fehlen. Die Financial Action Task Force (FATF), der internationale Standardsetzer im Bereich der Geldwäschebekämpfung, hat gerade auch dies in seiner Evaluation des deutschen Geldwäschebekämpfungsregimes beanstandet. Mit dem Verbundvorhaben soll diese Datenlücke geschlossen werden. Das Vorhaben zielt darauf ab, im Wege einer ökonomischen Analyse eine Gesamtbilanz der ökonomischen Folgen der Geldwäsche für das Wirtschafts- und Finanzsystem zu approximieren.

Als besonders anfällig für Geldwäsche gilt der deutsche Immobiliensektor. In einem ersten Schritt sollen daher die ökonomischen Auswirkungen der Geldwäsche auf diesen Sektor bestimmt werden. In Folgeprojekten soll die Methode auf weitere Sektoren ausgeweitet und zu einer Gesamtbilanz zusammengefügt werden. Diese ökonomische Analyse soll es ermöglichen, staatliche Eingriffe risikoorientierter zu gestalten, indem sie dort eingesetzt werden, wo die größten Risiken erkannt werden.

Das Verbundvorhaben leistet einen Beitrag zur Fortentwicklung des Trierer Forschungsprofils im Schnittbereich der profilgebenden Schwerpunkte „Gesellschaften, Sprachen und Kultur im Wandel“ und „Daten, Modellierung und Simulation“. Mit der Geldwäsche zielt das Vorhaben auf die Analyse eines Kriminalitätsfeldes, dem eine überragende gesellschaftliche Bedeutung beigemessen wird. Es wird vermutet, dass ein nicht unerheblicher Teil der auf dem Immobilienmarkt zu beobachtenden Preissteigerungen auf Geldwäscheaktivitäten zurückzuführen ist. Dass Kriminelle die Früchte ihrer Taten genießen können, widerstrebt zudem dem Gerechtigkeitspostulat und bedroht den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das Vorhaben verwendet bekannte und neue ökonometrische Modelle. Der interdisziplinäre Forschungsansatz ist im Strafrecht deutschlandweit bisher einzigartig, obwohl in den Bereichen des Wirtschafts-, Finanz- und Steuerstrafrechts ein großer Forschungsbedarf in Bezug auf eine ökonomische Analyse besteht. Die Forschungsgruppe kann dazu beitragen, evidente Lücken in einem interdisziplinären Forschungsfeld zu schließen.

Digitalrecht in Europa

Digitale Souveränität Europas (DigitS EU)

Leitung: Prof. Dr. Antje von Ungern-Sternberg (Sprecherin), Prof. Dr. Benjamin Raue (Co-Sprecher)

Die Europäische Union begegnet den Herausforderungen des digitalen Wandels mit dem Versuch, europäische Vorstellungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens durch Gesetzgebung abzusichern.

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Während man andernorts bei der Gestaltung des digitalen Wandels dem Ideal einer kontrollierten Gesellschaft (China) oder des „Laissez-Faire“ (USA) anhängt, will die Europäische Union auch im Digitalzeitalter wirtschaftlichen Wohlstand und zentrale Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit durch einen grundrechtsorientierten Ansatz bewahren und fördern. Dazu verabschiedet die EU derzeit umfangreiche Gesetzespakete,

  • um ein sicheres und vertrauenswürdiges Online-Umfeld zu gewährleisten und schädliche Inhalte auf Online-Plattformen zu bekämpfen (Digital Services Act),
  • einen fairen Wettbewerb der großen Digitalkonzerne herzustellen (Digital Markets Act),
  • die Potentiale der künstlichen Intelligenz nutzbar zu machen und ihre Risiken einzuhegen (AI Act-Entwurf) sowie
  • die Datenschätze öffentlicher Stellen und der Wirtschaft zu erschließen (Data Governance Act; Data Act-Entwurf).

DigitS EU will die Kreation einer eigenständigen europäischen Digitalordnung und die damit verbundenen Anstrengungen der EU, sich gegenüber internationalen Digital-konzernen und konkurrierenden Rechtsordnungen zu behaupten, interdisziplinär wissenschaftlich begleiten. Als Bezugsrahmen dienen grundrechtsorientierte Wertvorstellungen und Normen zum Schutz marktwirtschaftlicher Freiheit, sozialer Verantwortung und pluralistischer Meinungsbildung.

Im Mittelpunkt von DigitS EU stehen Reaktionen und Auswirkungen des Rechts auf die Veränderung aller Lebensbereiche durch die Digitalisierung und die mit ihr einhergehenden Entwicklungen (Datafizierung, Plattfomisierung, Algorithmisierung). Um die Auswirkungen der Digitalrechtsregulierung auf die regulierten Bereiche abzuschätzen, findet in Forschungsfeld II eine Empirie der Online-Meinungsbildung mithilfe von Simulationen und Modellierungen statt. Die Teilbereiche I und III fokussieren auf die Implikationen für Recht, Politik und Wirtschaft und nehmen eine normative, theoretische und empirische Analyse dieser Entwicklung vor.

Das Projekt entwickelt den universitären Profilbereich „Daten, Modellierung und Simulation“ weiter, der auch den Wandel des Rechts durch die Digitalisierung sowie die Schlüsselressource Information umfasst. Es schlägt gleichzeitig eine Brücke zum Profilbereich „Gesellschaft, Sprachen und Kulturen im Wandel“.

Zudem leistet das Projekt einen sichtbaren Beitrag zur Digitalstrategie des Landes Rheinland-Pfalz, die zentrale Rahmenbedingungen wie die Transformation von Wirtschafts- und Arbeitswelt durch Digitalisierung wirkungsvoll und im Interesse der Menschen gestalten will. Dazu wollen wir mit Konzepten für eine folgenorientierte und grundrechtsgeleitete Gestaltung der Digitalisierung von Recht, Politik und Wirtschaft beitragen.