Populismus: Aufmerksamkeit durch Tabubrüche

Sie reden von Asyltourismus oder Frühsexualisierung. Welche sprachlichen Strategien Rechtspopulisten verwenden, haben Linguisten der Universität Trier untersucht.

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Was ist die Grenze des Sagbaren in politischen Diskussionen? Eine schwierige Frage. Auch für Dr. David Römer, der – so kann man es sagen – Kummer gewohnt ist. Der Linguist der Universität Trier analysiert Populismus in der deutschen Sprache und hat dabei schon viel Unschönes gelesen: auf Social Media, in Wahlprogrammen oder in Reden. „Problematisch ist beispielsweise der unreflektierte Gebrauch von Wörtern, die historisch vorbelastet sind.“

Gerade rechte Politiker brechen laut Römer bewusst diese Tabus. So hat zum Beispiel Frauke Petry erst kürzlich versucht, den Ausdruck völkisch zu reaktivieren, indem sie das Wort vom durchaus sagbaren Wort Volk ableitete. „Das Ziel, das mit einer derartigen Sprachwahl erreicht werden soll, ist die öffentliche Aufmerksamkeit. Personen mit populistischem Gedankengut haben verstanden, mit welcher Rhetorik sie es in die Medien schaffen.“

Das dürfe man doch noch sagen

Medien skandalisieren das Gesagte und berichten auch mal reißerisch über Politiker. Die Debatte um die politische Korrektheit erzeugt zusätzlich öffentliche Aufmerksamkeit. Personen am rechten politischen Rand inszenieren sich gerne mit dem Argument, „dass man das doch noch sagen dürfe.“

Der Sprachwissenschaftler hält deswegen Aufklärung für besonders wichtig. Dem Populismus und den Strategien dahinter müsse mit politischer und sprachlicher Bildungsarbeit entgegengewirkt werden: „Indem man sich darüber klar wird, wie rechtsgesinnte Gruppierungen sprechen und ihre Strategien kennt, kann man vermeiden, dass man in die Falle tappt.“ Weitere populistische Sprachstrategien sind beispielsweise Vereinfachungen oder Moralisierung. Aber auch Vokabeln, die Bürgernähe simulieren und auf Alltagserfahrungen des „kleinen Mannes“ und der „kleinen Frau“ anspielen, werden häufig benutzt.

„Moralisiert und vereinfacht wird beispielsweise, indem populistische Personen die Welt in zwei Gruppen einteilen und sich dabei als die wahren Vertreter des guten Volkes verstehen und ein Bild von einer bösen, korrupten politischen Führungselite zeichnen, die das Volk hintergeht. Gleichzeitig treten Populisten und Populistinnen als Moralkritiker auf und inszenieren sich als Opfer von Moralisierung, etwa wenn sie den ‚Tugendterror‘ anmahnen.“

Populistische Verschwörungstheorien

Bei ihren Analysen stießen die Wissenschaftler der Universität Trier auch auf einige Äußerungen, die man schon als verschwörungstheoretisch bezeichnen kann. Eine weit verbreitete Geschichte ist, dass die politische Elite mit ihrer Einwanderungspolitik einen ‚Bevölkerungsaustausch‘ durchführe, um Deutschland zu islamisieren. Sogar im Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland (AfD) entdeckten die Forscher allerhand weitere haarsträubende Behauptungen, die nicht belegt werden: Durch „Gender-Ideologie“ und „Frühsexualisierung“ fände in Schulen eine staatlich geförderte Umerziehung statt, und zwar mit dem Ziel, die traditionelle Familie abzuschaffen.

Die Wissenschaftler beobachten schon seit einigen Jahren sprachlichen Populismus und können dabei eine Tendenz feststellen: „Wir haben auf jeden Fall den Eindruck, dass in den letzten Jahren der populistische Sprachgebrauch zugenommen hat. Nicht nur Begriffe wie ‚Asyltourismus‘ haben in die öffentliche Debatte Einzug gehalten. In gewisser Weise ist Rechtspopulismus salonfähig geworden“, schätzt Dr. David Römer die aktuelle Situation ein.

Linksgerichteter Populismus

Römer und seine Kollegen konzentrieren sich auf die Analyse von Wahlplakaten, politischen Reden und verschiedenen Textsorten sozialer Medien wie YouTube-Kommentare. Auch linksgerichtete Personen würden zu populistischen sprachlichen Mitteln greifen, so die Forscher. Diese seien jedoch schwieriger als eindeutig populistisch zu bestimmen. Auch in einem Seminar an der Universität Trier haben Studierende im vergangenen Jahr deshalb ausschließlich rechtspopulistische Textdokumente untersucht. „Aufgrund der engen Anbindung an die Forschungspraxis ist das Seminar bei den Studierenden auf sehr großes Interesse gestoßen.“ Eine Wiederholung ist aktuell nicht geplant.

Wie wichtig es ist, genauer zu verstehen, wie Populisten rhetorisch agieren, unterstrichen auch Wissenschaftler bei einer kürzlich stattgefundenen internationalen Tagung an der Universität Graz, die von Römer mitorganisiert wurde. Im Herbst erscheinen ihre Ergebnisse in einem Tagungsband.

Kontakt

Dr. David Römer
Germanistische Linguistik
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Tel. +49 651 201-2191