„Geiler Arsch!“ Darf man das sagen?

Die Rechtswissenschaft der Universität Trier führt eine Online-Umfrage zu sexuell anzüglichem Hinterherrufen durch.

Zwei Mädchen Gehweg Catcalling
Mit einer Umfrage will die Rechtswissenschaft herausfinden, inwieweit die Mitte der Gesellschaft es für erforderlich hält, dass Catcalling als Straftatbestand oder Ordnungswidrigkeit eingestuft wird.

In der Rechtswissenschaft werden eigentlich Schriftsätze verfasst und Argumentationen geschrieben, aber keine Studien konzipiert. Zwei Studentinnen der Universität Trier wagen ein Pilotprojekt, das ihr Strafrechtsprofessor Dr. Mohamad El-Ghazi unterstützt. Miriam Gemmel und Johanna Immig studieren im achten Semester Jura und bereiten sich auf das erste Staatsexamen vor. Doch das Thema Catcalling lässt sie nicht los. Unter Catcalling versteht man das sexuell anzügliche Hinterherrufen oder Nachpfeifen gegenüber fremden Personen in der Öffentlichkeit. Aussprüche wie „Geiler Arsch!“ oder „Pssst, hey Süße! Schon etwas vor?“ sind Beispiele für solche Äußerungen.

Das Catcalling diskutierten sie in einem Meeting mit ihren Professoren. Die Meinungen der Mitarbeitenden und auch der Professoren gingen auseinander. In Deutschland ist sexuelle Belästigung bislang nur strafbar, wenn sie mit einer Berührung einhergeht. Das ist ein Tatbestand, der strafrechtlich verfolgt wird. Ein Nachrufen kann als Beleidigung interpretiert und geahndet werden. Was aber, wenn weder ein Fall von sexueller Belästigung noch der einer Beleidigung vorliegt?

Catcalling in Rechtswissenschaft diskutieren

Die Jurastudentin Miriam Gemmel erklärt den Hintergrund zur Umfrage: „Nach jetzigem Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung kann Catcalling nicht geahndet werden. Aber die vollständige Bewertung im Recht ist noch nicht erfolgt. Wir möchten den Diskurs in juristischen Fachkreisen anstoßen.“ Ihre Co-Autorin Johanna Immig veranschaulicht das Vorgehen: „Die Teilnehmenden der Umfrage geben uns einen ersten Eindruck dazu, wie sie das Catcalling aus ihrer persönlichen Sicht bewerten. Mit der Umfrage finden wir heraus, ob die Mitte der Gesellschaft es für erforderlich hält, dass Catcalling als Straftatbestand oder Ordnungswidrigkeit eingestuft wird. Die Ergebnisse fassen wir zusammen und werden sie mit einer juristischen Einordnung veröffentlichen.“

Strafrechtler Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi der Universität Trier hält das Thema für interessant und befürwortet die Umfrage. Das Strafrecht ist für ihn das „schärfste Schwert“ im Arsenal des Rechtsstaats: „Daher bin ich grundsätzlich skeptisch, wenn es um die Kriminalisierung neuer Phänomene geht. Wir sind uns einig darüber, dass wir aussagekräftige Daten darüber brauchen, wie verbreitet das Phänomen Catcalling ist und mit welchen psychischen Beeinträchtigungen es für die Opfer einhergeht. Nur so lässt sich eine Aussage über die Verhältnismäßigkeit einer eventuellen Strafvorschrift treffen.“

Fast eintausend Studierende und Mitarbeitende der Universität Trier, Fachkolleginnen und Fachkollegen, Freundinnen und Freunde sowie Familienmitglieder haben die Umfrage bereits ausgefüllt. Ziel ist es, dass möglichst viele Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Kreisen ihre Einschätzungen abgeben. Jeder und jede kann bis zum 15. Juni 2021 an der Umfrage teilnehmen. Es gibt keine Voraussetzungen, die dafür zu erfüllen sind. Unter folgendem Link geht es zur Umfrage: https://www.unipark.de/uc/streetharassment/. Pro ausgefüllten digitalen Fragebogen spenden die beiden Juristinnen 50 Cent an eine gemeinnützige Organisation. Die jeweilige Organisation können die Teilnehmende am Ende der Umfrage selbst auswählen.

Umfrage verbale sexuelle Belästigung

Link: https://www.unipark.de/uc/streetharassment/
Dauer: 5 min

Bei jeder ausgefüllten und abgeschickten Umfrage wird eine gemeinnützige Organisation mit 50 Cent unterstützt.

Kontakt

Miriam Gemmel
Strafrecht und Strafprozessrecht
Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi
Mail: s5migemmuni-trierde

Johanna Immig
Strafrecht und Strafprozessrecht
Prof. Dr. Till Zimmermann
Mail: s5joimmiuni-trierde