Ein Projekt baut Hemmschwellen für Replikationsstudien ab

Ein Forschungsteam will eine neue Methodik zur Verbesserung der wissenschaftlichen Qualitätskontrolle in den digitalen Geisteswissenschaften bereitstellen.

Replikationsstudien sind in vielen Wissenschaftsdisziplinen eine erprobte Methode der Qualitätskontrolle. Werden Ergebnisse einer wissenschaftlichen Untersuchung in Zweifel gezogen, können sie durch eine Wiederholung der Studie und eine Neuauswertung der Daten bestätigt oder widerlegt werden. „In den Geisteswissenschaften ist dieses Verfahren bisher nicht üblich und gewünscht“, bedauert Dr. Hannes Kahl von der Universität Trier, der den Wert von Replikationsstudien hoch einschätzt. Daher will er gemeinsam mit Prof. Dr. Charlotte Schubert von der Universität Leipzig in einem Forschungsprojekt eine Methodik und eine digitale Plattform zur Durchführung von Replikationsstudien aufbauen. Den Nutzerinnen und Nutzern soll ein komfortabel zu bedienendes und allgemein zugängliches Tool zur Verfügung gestellt werden. Die Prozesse der Studien sollen durch Standard Operating Procedures (standardisiertes Vorgehen) abgesichert werden.

Zur Durchführung von Replikationsstudien und Experimenten wird ein komfortabel zu bedienendes und allgemein zugängliches Tool entwickelt.
Zur Durchführung von Replikationsstudien und Experimenten wird ein komfortabel zu bedienendes und allgemein zugängliches Tool entwickelt.

Ein Grund für das geringe Aufkommen von Replikationsstudien dürfte darin zu suchen sein, dass sie - anders als Erststudien - selten zur Steigerung des wissenschaftlichen Renommees beitragen. Insbesondere in den Geisteswissenschaften könnte der Mangel an Wiederholungsstudien auch auf die Komplexität der wissenschaftlichen Methoden zurückzuführen sein. Eine Textanalyse besteht aus vielen Arbeitsschritten, vom Einlesen der Texte über Zählen und Vermessen bis zum Clustern. Somit ergeben sich eine Fülle an Kombinationsmöglichkeiten, die mit analogen Werkzeugen nur mühsam nachzuvollziehen sind.

Jeden Schritt nachbilden

In dem Forschungsprojekt soll daher eine neue Software entwickelt werden, die es ermöglicht, jeden Arbeitsschritt einer Textanalyse nachzubilden. Der Nutzer speist dazu die Informationen der zu replizierenden Studie über ein Formular in das Programm ein, das die Daten auswertet und für jeden Arbeitsschritt ein Zwischenergebnis zur Verfügung stellt. So wird für jeden Schritt nachvollziehbar, ob die digitale Auswertung der Textanalyse zum erwarteten Ergebnis kommt.

Die Forschungsgruppe um Hannes Kahl und Charlotte Schubert wird sich zunächst auf textbasierte Altertumswissenschaften fokussieren und mit altgriechischen und lateinischen Textkorpora arbeiten. Latein und Altgriechisch eignen sich besonders, um die allgemeine Struktur von Sprache zu verstehen. Beabsichtigt ist jedoch, standardisierte Methoden für Replikationsstudien in allen digitalen Geisteswissenschaften zu schaffen.

In drei Stufen

In dem auf drei Jahre angelegten Projekt gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Trier und Leipzig dreistufig vor. Zunächst werden sie Grundlagen schaffen, um auf der zweiten Stufe Experimente mit Texten durchführen zu können, zu denen bereits Ergebnisse und Daten vorliegen. Auf der dritten Stufe sind Experimente mit Texten vorgesehen, die bislang keinem Autor zugeordnet werden konnten. Als IT-Experten sind Hannes Kahl und Jens Wittig an der Universität Trier für die Entwicklung der Software und für die technische Infrastruktur zuständig. Charlotte Schubert und Sylvia Kurowsky werden in Leipzig die Arbeit mit den Textkorpora übernehmen.

Die Software und die Prozessbeschreibungen sind über eine Webseite frei zugänglich, intuitiv zu bedienen und in Textanalysen anderer Sprachen anwendbar. Hannes Kahl hofft, mit diesem komfortablen Angebot bei Forschenden die Hemmschwelle gegenüber Replikationsstudien senken und dazu animieren zu können, mithilfe des Tools Zweifeln an Forschungsergebnissen nachzugehen. Er sieht in dem Projekt aber auch die Chance, das methodische Repertoire der textorientiert arbeitenden Geisteswissenschaften in Ergänzung zur klassisch hermeneutischen Auslegung erweitern zu können.

„Für Charlotte Schubert und mich ist dieses Thema eine wichtige Angelegenheit. Wir sind der Volkswagen Stiftung daher dankbar, dass sie die Bedeutung unseres Projekts erkannt hat und unsere Studie fördert. Dass die Förderung im Programm `Impulse für das Wissenschaftssystem´ erfolgt, zeigt zugleich, dass die Problematik zukunftsweisend ist“, so Dr. Hannes Kahl.

Weitere Informationen zu dem Projekt

Kontakt

Dr. Hannes Kahl
Geschichte
Mail: kahlhuni-trierde
Tel. +49 651 201-2437