Gesundheitscampus

Was versteht die Universität Trier unter einem Gesundheitscampus?

An mehreren Stellen hat die Universität Trier in der jüngeren Vergangenheit das Thema „Gesund­heitscampus“ als strategisches Ziel formuliert. Erstmals wurde dieser Gedanke in einem Positionspapier des Präsidenten der Universität Trier, erschienen im September 2016, geäußert. Für das Hochschulzukunftsprogramm des Landes Rheinland-Pfalz hatte die Universität Trier darüber hinaus im Jahr 2017 auf die Frage „Welche Vision hat die Hochschule hinsichtlich ihrer Entwicklung im Hochschulsystem in den nächsten zehn Jahren und welche Faktoren würden diese in besonderer Weise unterstützen?“ auf einen Gesund­heitscampus (mit oder ohne Medical School) hingewiesen, der aus einem Zusammenwirken von Psychologie, Psychotherapie, Pflegewissenschaft und angrenzenden Disziplinen hervorgeht. Das vorliegende Papier schreibt diesen Prozess fort und bewegt sich in diesem Gestaltungsrahmen. Aus dieser Perspektive beobachtet die Universität Trier aufmerksam die Diskussion um einen wie auch immer gearteten akademischen medizinischen Schwerpunkt in Trier. Auch ohne einen medizinischen Fachbereich lassen sich auf dieser Basis Studienangebote im Felde der „Gesundheitswissenschaften“ etablieren. In den Bereichen Psychologie oder Pflegewissenschaft könnte eine medizinische Professur etabliert werden. An diesen Rahmenbedingungen wird auch gearbeitet.

Zur Geschichte der Universität Trier gehört eine Medizinische Fakultät. Sie war Bestandteil der alten Universität Trier, die neben einer Philosophischen, Juristischen und Theologischen Fakultät auch eine kleine Medizinische Fakultät unterhielt. Maximal zwei Professuren bildeten den Lehrkörper, Medizin war bis in die frühe Neuzeit keine expandierende Disziplin an Universitäten. Zeitweise ruhte der Lehrbetrieb in Trier, ein Ratsprotokoll des Jahres 1650 berichtet davon, dass es in Trier zu dieser Zeit keinen Arzt gab. Nähme man dies als Maßstab, dann wäre die heutige Universität Trier reicher an Medizin, obwohl diese Disziplin nicht zu ihrem Kanon gehört. Ebenso aber ließe sich argumentieren, dass Trier eine Tradition vorzuweisen hat, die wiederbelebt werden könnte.

Im vergangenen Jahrzehnt wurde Trier immer wieder als akademischer medizinischer Standort diskutiert, häufig als Außenstelle der Mainzer Universitätsmedizin, und damit des einzigen Universitätsklinikums in Rheinland-Pfalz. Im Oktober 2020 wurde der Medizincampus Trier eröffnet. Inhaltlich bedeutet dies gegenwärtig: Studierende der Universitätsmedizin Mainz können ihr 10. Fachsemester und anschließend ihr Praktisches Jahr am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Trier und am Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen Trier absolvieren. Die Universität Trier verfügt aktuell über keinerlei etablierte Strukturen, die sich für den schnellen Ausbau zu einer Medizinischen Fakultät anbieten würden. Nur ein Mitglied des Lehrkörpers des Faches Psychologie verfügt über eine medizinische Ausbildung. Die Voraussetzungen für ein Physikum sind ebenfalls nicht gegeben, da die dazu erforderlichen naturwissenschaftlichen Disziplinen nicht vorhanden sind.

Zu dem Gesundheits-Leistungsspektrum der Universität Trier gehören stattdessen gegenwärtig die folgenden Bereiche:

  • Pflegewissenschaft: Mit der Einführung des dualen Studiengangs „Klinische Pflege“ im Winter­semester 2014/15 hat die Universität Trier sich zu einem wichtigen akademischen Standort der Pflegewissenschaft in Rheinland-Pfalz entwickelt. Der Studiengang ist zwischenzeitlich primärqualifizierend, also eine hochschulische Pflegeausbildung, das duale Modell wurde letztmals im WS 2019/20 angeboten. Im Herbst 2021 werden im Fach Pflegewissenschaften fünf Professuren Lehre und Forschung gestalten. Diese Schwerpunktsetzung hat ohne Zweifel eine hohe Affinität zu medizinischen Studiengängen. Eine Weiterentwicklung des Pflegeberufes in Richtung Substitution ärztlicher Leistung und Geriatrie könnte medizinische Vorlesungsinhalte bis hin zu einer medizinischen Professur mittelfristig erforderlich machen (siehe oben).
  • Psychologie: Innerhalb des Faches Psychologie hat die Psychobiologie des Stresses eine lange Lehr- und Forschungstradition. Untersucht werden Kausalbeziehungen zwischen biologischen Stressfaktoren und psychologischen Funktionen. Im Mittelpunkt stehen Auswirkungen von Stresssituationen auf psychologische Funktionen wie Lernen, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Sozialverhalten. Kooperationen mit medizinischen Einrichtungen, z. B. mit dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder und dem Mutterhaus, existieren und werden aktiv gelebt.
  • Psychologische Psychotherapie: An der Universität Trier ist die staatlich anerkannte Ausbildung nach dem Psychotherapeutengesetz mit dem Ziel des Staatsexamens und der Approbation zur/zum Psychologischen Psychotherapeutin/Psychotherapeuten, Schwerpunkt Verhaltens­therapie, möglich. Die Universität Trier vollzieht gegenwärtig die auf Bundesebene eingeleitete Reform, die auch eine Klinikum-Phase vorsieht. Wir gehen davon aus, dass sich hier neue Kooperationsfelder ergeben werden. Ein großer Teil der Psycho­logiestudierenden in Trier strebt im Hauptstudium, also in der Master-Phase, den Schwerpunkt Psychotherapie an. Ein Weiterbildungsstudiengang und entsprechende Ambulanzen komplettie­ren das Angebot und machen Trier in diesem Bereich zu einem national bedeutsamen Standort. Ein umfassendes Netzwerk mit kooperierenden Kliniken, Praxen und Betreuungseinrichtungen ist aufgebaut worden. Die gesamte Lebensspanne wird mittlerweile abgedeckt (Kindes- und Jugendalter, Erwachsene).
  • Ergänzende Angebote: In der Soziologie existiert seit vielen Jahren ein gut etabliertes System der Gesundheitsbeobachtung, gleiches gilt für die Volkswirtschaftslehre, insbesondere den Schwerpunkt „Gesundheitsökonomie“. Fragen der Medizinethik spielen im Fach Philosophie eine Rolle. Ein fächerübergreifendes Forschungsinstitut für „Allgemeine und Angewandte Ethik“ ist in Vorbereitung. Eine Zusammenarbeit mit entsprechenden Schwerpunkten der Theologischen Fakultät Trier ist vorgesehen. Zu nennen sind auch erste Ansätze einer Pflegepädagogik im Fach Erziehungswissen-schaften. Grundsätzlich lassen sich hier viele unterstützende Angebote finden, dazu gehören auch die Rechtswissenschaft, die Umwelttoxikologie und die Informatikwissenschaften (Künstliche Intelligenz). Im Kern handelt es sich um Lehrangebote, die in einem eigenständigen BA-Studiengang als „Gesundheitswissenschaften“ firmieren werden.

Das ist die Ausgangssituation an der Universität Trier. Diese sollte berücksichtigt werden, wenn über akademische medizinische Angebote am Standort Trier nachgedacht wird. Insbesondere die Pflege­wissenschaft, die Klinische Psychologie und die Stressforschung sind aus unserer Sicht Kandidaten, die primär als Kooperationspartner eines solchen Angebots in Frage kommen. Denkbar wäre im Bereich der Pflegewissenschaft eine geriatrische und palliative Schwerpunktsetzung, im Bereich der Stressforschung eine Zusammenarbeit mit neurologischen Abteilungen, in der Klinischen Psychologie mit der Psychiatrie. In unseren Überlegungen werden stets auch Kooperationsfelder mit der Hochschule Trier berücksichtigt.

Trier, 7. April 2021

Univ.-Prof. Dr. Michael Jäckel

Präsident der Universität Trier